VIPAVA DOLINA IN SLOWENIEN

DAS VERGESSENE SCHLARAFFENLAND-TAL

Wild mit Branco

„Nächstes Mal, wenn ihr wieder meine Gäste seid, dann zeige ich euch ein Waldstück in dem wir Bären in der freien Wildbahn beobachten können!“ versicherte uns Branco, der uns gerade bewirtete, als wenn es unser letzter Abend im Leben gewesen wäre. Als Jäger weiß er nicht nur die besten „Bärenstellen“ im Revier, sondern macht auch selbst eine Wildwurst, die aus nichts anderem besteht, als aus rohem Fleisch, Fett, Salz und Pfeffer. Und weil er auch selbst einen Fischteich vorm Haus hat, gab es geräucherte Forelle auf Brot aus dem Holzofen – Herz was willst Du mehr? Ach ja, Wein!!!! Ja, der gedeiht in bester Laune überall im Vipava Tal, das in Slowenien für seinen guten Wein bekannt ist, auch natürlich vor Brancos Haus.
Der Abend war eigentlich schon Nacht, als wir mit einem Garfield-Bauch glücklich, wenn auch etwas überessen, in unsere Betten im Hotel Gold Club Casino in Ajdovščina fielen. 


Wo sich Bär und Wolf „Gute Nacht“ sagen
Am nächsten Tag wurden wir nachmittags von Branco abgeholt. Die Bora (ein starker kalter Fallwind), für die auch Triest berühmt ist, welches nur 50 km entfernt liegt, fegte uns fast von der Straße. Das hinderte Branco aber nicht, mit uns eine einspurige Bergstraße zum Sinji Vrh (die ganze Strecke ist Fotopoint hoch 10!!!) hoch zu fahren. Schwindelerregend windet sie sich den steilen Berg hinauf, fast wie aus dem Flugzeug sieht man auf das Vipava Tal. Pittoresk schmiegen sich alte Dörfer an die Hänge der Hügel und Berge und entlang der Vipava, den Fluss, der dem fruchtbaren Tal den Namen gegeben hat.
Branco blieb mitten auf der Straße stehen und ließ uns aussteigen, um die Aussicht zu genießen. Bis zur Adria, die silbern am Horizont glänzt, und dem Nanos-Gebirge gegenüber kann der Blick schweifen (falls man so kräftig ist, dass man dem Sturm trotzt und nicht umgeweht wird). In dieser Gegend gibt es scheinbar keinen Gegenverkehr, denn auf der ganzen Strecke kam uns kein Autofahrer entgegen (Gott sei Dank – es wäre sowieso kein Platz zum Ausweichen gewesen). Ein paar sportliche, sichtlich windresistente Radfahrer drängten sich an uns vorbei.

Dann bog Branco mit uns in einen Schotterweg ab und wir wackelten mit dem Auto langsam über die grob aus der Straße ragenden Steine. „Da hab‘ ich letzte Woche ein Wolfsrudel gesehen, vielleicht treibt es sich hier herum!“ erzählte uns unser Freund mit glänzenden Jäger-Augen, „aber mir sind die kapitalen Wildsäue zum Jagen sowieso lieber!“


Er blieb wieder stehen und ließ uns erneut aussteigen. Die Gräser peitschten uns um die Füße, die verkrüppelten Wacholdersträucher neigten sich zu Boden: „Geht nicht zu weit an die Kante vor, heute ist die Bora etwas stärker!“ ruft er uns durch das Gejaule des Sturmes zu. Am liebsten wäre ich sowieso am Bauch gerobbt, aber ein wenig Fassung wollte ich schon zeigen und so hielt ich mich an Martin fest. Als das auch nicht mehr genügte, weil es mir die Füße wegzog, gesellte sich Branco dazu und nahm mich gemeinsam mit Martin in die Mitte. Jetzt fiel der Blick ungehindert auf die romantische Umgebung bis zum Dinarischen Gebirge, in dem die Vipava entspringt und sich die große Postojna-Höhle erstreckt. Die Abendsonne ließ die hohen, gelben Gräser noch goldener erscheinen, und der Duft von den vom Sturm gebogenen Wacholdersträuchern und Wildkräutern drang intensiv in unsere eiskalten Nasen. Zu schade, dass wir diese Tage nicht wandern gehen konnten, da die Zeit nicht reichte, aber nächstes Mal muss es eingeplant werden, auch wenn uns Wölfe, Bären und Wildschweine etwas Sorge bereiten.


Wir fuhren dann zu einer Almhütte, die nur wegen uns offen hatte und wurden als Freunde empfangen, obwohl wir die Leute noch nie zuvor gesehen hatten. Sofort stieß man mit hausgebranntem Schnaps an, Wein, Brot, Wurst, Schaf- und Ziegenkäse und der berühmte Karster Prosciutto wurde angeschleppt, sodass ein halbes Heeresbataillon davon satt geworden wäre. Das Wildschweinmedaillon mit Gemüse aus dem Alm-Kuchlgartl und den Wildkräutern aus dem Tal erfreute uns dann noch zusätzlich. Der Strukli, eine Abart unseres Apfelstrudels, rundete das Angebot ab.

Ein Fuchs schlich schon um die Hütte, als wir sie spät abends verließen. Der Sturm hatte sich gelegt, und durch Nebel fuhren wir wieder ins Tal. Rehe kreuzten die schmale Straße und Käuze riefen schaurig durch die Nacht. „Vielleicht sehen wir jetzt einen Bären?!“ sagte ich hoffnungsfroh, aber Branco meinte, das wäre ein großer Zufall, da sie, wenn sie nicht gerade Junge haben, sehr scheu sind.  „Du solltest nie zwischen ein Jungtier und die Mutter kommen, so wie bei den Wildschweinen auch nicht, das ist lebensgefährlich! Aber in den letzten 20 Jahren ist das nur einmal passiert!“ beendete Branco das Gespräch. „Und? Tot?“ fragte ich besorgt. „Na ja, der Mann verlor ein Bein dabei! Aber er überlebte, weil er sich nach dem Angriff totstellte und mit dem Gesicht zur Erde liegen blieb! Da hat die Bärin von ihm abgelassen und sein Freund, der alles von Weitem mit ansehen musste, rettete ihn dann!“

Ergriffen von der dramatischen Geschichte schwiegen wir alle. Aber es dauerte nicht lange, kam wieder die Heiterkeit zurück, da ein aufgescheuchter Hase hakenschlagend eine Zeitlang neben dem Auto herlief.

„Morgen müsst ihr nach Lipica fahren“ schlug uns Branco noch beim Aussteigen vorm Hotel als Ausflug vor, „ihr könnt euch dort die Stallungen des Lipizzaner Gestüts und Dressur-Vorstellungen anschauen. Es ist nur 50 km von Ajdovščina entfernt!“


Zu den berühmten weißen Pferden und in die große dunkle Höhle
Und genau das machten wir auch am nächsten Tag ganz gründlich: Mit Stallführung, Dressurvorstellung (Achtung Fotofreaks: Fotografieren erlaubt!!!!!!) und Einkehr in das dortige Caféhaus. Ein schönes Erlebnis für Pferdeliebhaber- oder an der Wiener-Hofreitschule Interessierte. Auch die große Anlage mit den Weiden, auf dem sich die Pferde (auch Fohlen mit ihren Müttern, die „frei haben“) tummeln, ist sehenswert.

Danach fuhren wir in Richtung Postojna zur Höhle und Höhlenfestung. Weil es außerhalb der Hochsaison war (im Jänner), musste man sich auch nicht lange bei der Kassa anstellen. Mit dem schmalen Zug ging es mehr als zügig ins Innere des Berges (Achtung Kopf einziehen – sonst ist er bei großen Besuchern ab.  ,-)))!!!).  Der kalte Hauch des riesigen Höhlensystems, in dem auch die Vipava entspringt, mieft ein wenig modrig, aber die 5 km lange Besichtigungstour durch eindrucksvolle Höhlendome entschädigt dafür. Gut beraten ist man, wenn man (auch als Fotograf) immer bei der Führungsgruppe bleibt, denn das Licht wird hinter der Gruppe gleich wieder abgedreht und man steht in absoluter Dunkelheit.


Ein römischer Sinnesgenuss - die Weinstraße im Vipava Tal!
Am Abend fuhren wir noch ein Stück die Weinstraße im Vipava Tal nach Vipava entlang. Die Weinstraße schlängelt sich von einem romantischen Dörfchen zum nächsten, wobei Vipava selbst das schönste Dorf ist. Hinter dem Barockschloss der Lanthieri am Hauptplatz führt der Weg durch einen Torbogen hin zum Podskala Park, dessen Kalksteinfelsen an zahlreichen Stellen Quellen der jungen Vipava freigeben (Fotopoint!). Das Karstgebiet, das sprudelnde klare Wasser und die mächtigen Föhren und Platanen haben schon den italienischen Dichter Carlo Goldoni erfreut – und uns jetzt auch. Und eine flinke Bisamratte ebenfalls, die hier in den Auen der Vipava feine Wasserpflanzen abnagen kann, sie kreuzte gerade unseren Weg zur Taborbrücke. Die alten Steinhäuser mit den fruchtbaren Feldern vor der Haustüre, die Tabor-Ruine am Hügel, die im Jänner noch blühenden Rosen und Sträucher, gemütliche kleine Cafés - ein mystischer, wunderschöner Ort!!!!


Wir trafen an der alten Taborbrücke wieder unseren Freund Branco, der uns einen Tisch im nahegelegenen Restaurant Podvarovz (Ulica Ivana Ščeka 2, 5271 Vipava) reserviert hatte. Der kulinarische Geheimtipp steht auf einer Karstplatte und wird von den Quellen der Vipava umspült. Graureiher stehen am Ufer und fischen, Feigen hängen luftgetrocknet von den angrenzenden Bäumen. Das Gourmetlokal, das frisch übernommen wurde, verschreibt sich ausschließlich regionaler frisch zubereiteter Küche, und auf den Tisch kommt, was der Koch heute eingekauft hat. Alles ist von höchster Qualität! Ein rohes Forellenfilet aus der Vipava mit Granatapfeljus, Wildkräutersuppe mit Karst-Proschiutto und Gran Padana-Chips, Hirschmedaillons mit Kürbiskroketten, Kakicreme und Strukli. Nach 5 Gängen mit fantastischer Weinbegleitung und einem Cognac, der zart nach Vanille und Schokolade schmeckte, konnten wir uns fast nicht mehr vom Tisch erheben, aber es schmeckte einfach alles zu gut um etwas übrig zu lassen! Übrigens: Wer zu viel gegessen und zu viel von dem Wein, den die Römer in diesem Tal schon geschätzt haben, getrunken hat, kann im Oberstock gleich übernachten. Sehr praktisch!

Branco war glücklich, dass wir glücklich waren – in seinem Schlaraffenland-Tal, das schön langsam in den letzten Jahren wieder vom Tourismus entdeckt wird.
„Und das mit dem „Bären-Schauen“ ist versprochen, wenn ihr mich nächstes Mal besucht! Ihr kommt doch bald wieder!?“ fragte Branco und gab uns noch einen Sack mit selbstgemachter Wildwurst und Wein in die Hand.

Im Rückspiegel sah man ihn noch lange unserem Auto nachwinken.
Navidenje, Branco und Vipava Dolina, Hvala!!!!!


Tipp: Wer noch weitere Gegenden rund um das Vipava Tal besichtigen möchte, der kann der Smaragdstraße folgen, die die Region Nordprimorska – Gorica mit 13 Gemeinden umschließt. Das Flussgebiet der türkisschimmernden Soča, noch im alpenländischen Norden der Region, ist legendär bei den Kajakern und Fischern. Idrijca ist UNESCO-Weltkulturerbe für Spitzenklöppelarbeiten.






Kommentare

ÄLTERE POSTS